„Blütenbläser vor Mondrian”: Wolfgang Harms in seiner Ausstellung im Stadttheater. Foto: Winckler
Seien wir ehrlich: Die Bilder, die derzeit im Foyer des Fürther Stadttheaters ausgestellt sind, sind eine Zumutung für die moderne und selbst die „postmoderne“ Kunstauffassung. Ganz abgesehen
davon, daß sie auch einen von kunsthistorischer Vorbildung Unbelasteten in Verwirrung darüber stürzen können, wo der gute Geschmack nun aufhört und der Kitsch anfängt – einmal vorausgesetzt, daß der
Betrachter sein Urteil nicht ganz naiv nur von der offensichtlich großen technischen Meisterschaft des Malers bestimmen lassen will.
Wolfgang Harms konfrontiert den Betrachter ähnlich wie Ernst Fuchs – bei dem er einmal studieren wollte – mit einer überquellend üppigen, bis zur Augentäuschung „realistisch“ dargestellten
phantastischen Welt, die für die einen ein Traum sein mag, für die anderen eher ein Alptraum ist. Da lassen pflanzliche Wesen mit einem lieblichen Engelsantlitz wie von Frau Angelico aus Schalmeien
Blüten statt Töne emporsteigen und symbolisieren erhaben-königliche Mondvögel den Wandel in der Natur und künstlerische Fruchtbarkeit.
Der Wahlnürnberger malt Putten, die auf Halmen balancieren, und kulissenhafte Phantasielandschaften mit fremdartigen Pflanzen und reiherähnlichen Vögeln, die – ein überraschend groteskes Element
– hinter flüchtenden Würfeln (!) her sind. Dabei läßt er detailverliebt oft keinen Quadratzentimeter der Acryl- und Ölmalereien ungestaltet, so dass die ornamental wuchernde Überfülle den Betrachter
eher zu erschlagen statt anzuregen droht. „Weglassen“ ist nicht die Stärke dieses altmeisterlich auftrumpfenden Künstlers.
Motive und Malauffassung des an der Nürnberger Akademie ausgebildeten 47jährigen sind offensichtlich und ausdrücklich der großen Kunstepoche der Renaissance verpflichtet. Und wie die Meister der
damaligen Zeit wird auch Wolfgang Harms vor allem im Auftrag aktiv. Was den Renaissancekollegen die Fürsten waren, sind ihm Industrielle wie Max Grundig, Ärzte oder andere vermögende
Privatleite.
Mit großem erfolg hat Harms sich dabei auf Wand- und Tafelbildmalerei spezialisiert, bei der die illusionistischen „Trompe-l’oeil“-Effekte („Täuschung des Auges“) schon immer besonders zum Zuge
kamen. Seine Jahrhunderte überspringenden Vorlieben hindern Wolfgang Harms bemerkenswerterweise aber auch nicht daran, eine Hommage an Piet Mondrian, diesen Heros der abstrakten Moderne, zu
malen.
Mutig konsequent
Man muss diese Bilder nicht mögen. Doch wirft man einmal alles Epochendenken und Vorstellungen von einer sich irgendwie fortentwickelnden Kunst über Bord und läßt als Qualitätskriterium nur die
Individualität und Unverwechselbarkeit einer künstlerischen Handschrift gelten, wird man Wolfgang Harms’ Kunst Legitimität, Mut und Konsequenz nicht absprechen können.