42 „Bildstaben“, zum kreativen Figurenalphabet: Peter Thieles „entfernte Verwandte der Buchstabenfamilie“. Foto: Kögler
Zwei Nürnberger Fachhochschul-Professoren und Kinder der Hauptschule Pfisterstraße bestreiten die dritte Ausstellung, die jetzt im Hauptverteiler des Klinikums eröffnet wurde. Erneut ist der
Art-Agency Hammond und Klinikmitarbeiter Herbert Galster eine ebenso lebendige wie hochwertige Zusammenschau von Schüler-, Foto- und bildnerischer Kunst gelungen. Nach der Erweiterung der
Ausstellungsräume auf drei Etagen im vergangenen Jahr kann das Fürther Krankenhaus inzwischen mit Fug und Recht für sich in Anspruch nehmen, mit die größten und interessantesten Kunstpräsentationen
in der Stadt vorzustellen.
Peter Thiele, seit 1979 an der FH lehrend und langjähriges Mitglied in der traditionsreichen Nürnberger Künstlergruppe „Der Kreis“, entfaltet im dritten Stock eine kunterbunte Welt aus Bild- und
Schriftzeichen – seine „Bildstaben“, die er als „entfernte Verwandte der bekannten Buchstabenfamilie“ definiert und die aus seiner Faszination für das Alphabet heraus entstanden sind. In einem
Laotse-Zitat über das „Tao“ fügt der Künstler noch unversehrte Buchstaben in bunten Kästchen zu ganzen Sätzen zusammen. Doch danach folgen nur noch Bruchstücke von Buchstaben, Formtrümmer, die neue
figürliche Gestalt gewinnen und eher altägyptischen Hieroglyphen ähneln als dem Abc.
Übermütiges Spiel
Thiele setzt seine „Staben“ in kleine weiße Quadrate, läßt sie tanzen, durch den Himmel fliegen oder zum Teppich sich verflechten. Das wirkt wie ein übermütiges Spiel mit dem selbst kreierten
Figurenalphabet, in dem die Buchstaben Rüssel und Gesichter haben, wie Spielzeug oder kleine grinsende Gespenster aussehen.
Trotzdem herrscht Ordnung in den Bildern. Thiele bändigt seine Phantasiegebilde, indem er sie zu Reihen gruppiert und in Quadrate stellt. Im Zentrum der Bilder ist die Form streng, am Rand aber
werden Purzelbäume geschlagen.
„Bildstaben“ sind für Thiele „Ergebnisse gestalterischer Neugier“. Sie entstehen aus einem kalligrafischen oder typografischen Impuls des Künstlers heraus, wachsen weiter und vergehen wieder. Als
hätten sie ein Eigenleben, mit dem sie ihren Schöpfer selbst überraschen. Für den Betrachter ist das ein höchst spannendes Erlebnis.
Neben den großen Acrylbildern und den kleinen Mischtechnikarbeiten zeigt Thiele in der Ausstellung vier ältere Radierungen von herausragender handwerklicher Qualität. Auch hier wird der
spielerische Ordnungssinn des Künstlers offenbar. Seine in vielen kleinen Kästchen aneinandergereihten und durchnummerierten „Lebensbäume“ sind bizarre Phantasiegestalten, aus Händen, Vögeln,
monströsen Menschengestalten geformt, mit Augen und Schweifen, mal trotzig dreinschauend oder hämisch grinsend. Ein ebenso unheimliches wie witziges allegorisches Panoptikum voller rätselhafter
Symbolik.