ARCHIVE 2000
Artworks
Paa Joe Kane Kwei (1922 - 1992)
Press Archive
Rhein-zeitung.de, 2000, -AP-
"Ein Fisch für die letzte Ruhe"
Riesige Bierflaschen und Zwiebeln als Särge
Kunstwerke für Prestigebestattungen aus Ghana in Hamburg
Hamburg - In einer überdimensionalen Bierflasche oder einem riesigen schwarzen Herrenschuh als Sarg die letzte Reise anzutreten, ist nicht gerade die europäische Vorstellung einer angemessenen Bestattung. In Ghanas Hauptstadt Accra dagegen gelten die farbigen Skulptur-Särge aus Holz als Prestigeobjekt, um Reichtum und Wohlstand des Verstorbenen auszudrücken. Im Museum auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg werden einige der afrikanischen Sargkreationen unter dem Motto "Ein Fisch für die letzte Ruhe" ausgestellt.
Traditionell werden bei Bestattung und Totenfest in dem westafrikanischen Land keine Kosten und Mühen gescheut. Erst seit rund 50 Jahren gibt es jedoch den Kult mit den Skulptursärgen, begründet von
dem Künstler Kane Kwei, sagte der Afrikanist und einstige Direktor des Hamburger Völkerkundemuseums, Wulf Lohse, bei der Ausstellungseröffnung am Donnerstag. Etwa ein halbes Jahresgehalt eines
Handwerkers, ab 1.000 Mark aufwärts, kostet so ein bunt lackierter Sarg. "Am häufigsten wird der Mercedes Benz als Statussymbol für den erfolgreichen Geschäftsmann gewählt", sagte Lohse.
Im Mehlsack ins Jenseits
Beliebt sei auch die knapp zwei Meter lange Frühlingszwiebel mit ihrem üppigem Lauch, die innen mit weißem Satin ausgepolstert ist. Sogar ein Mehlsack - vermutlich für einen Bäcker - solle für einen
würdigen Übergang ins Jenseits sorgen. Die Sargskulpturen zeigen dabei einen bemerkenswerten Realismus: Auf der Bierflasche mit der Aufschrift "Club Beer - The distinguished Lager" ist nicht nur der
Alkoholgehalt angegeben, sondern auch das Haltbarkeitsdatum. "Der riesige schwarze Schuh ist ganz in Budapester Manier der Maßanfertigungen mit aufgemaltem Lochmuster gehalten und gilt als der
Mercedes unter den Schuhen", erklärte Lohse.
Nach der mündlichen Überlieferung soll Kwei aus der Volksgruppe der Ga diese Tradition mit einem Sarg in der Form eines riesigen Fisches für seine Großtante begründet haben, einer wohlhabenden
Fischhändlerin. Seitdem erfreuen sich die auffälligen Särge einer zunehmenden Beliebtheit. In dem Ort Teshi nahe der Hauptstadt sind zwei Familien mit der Herstellung der Särge beschäftigt. Aber auch
Sammler in Übersee haben diese letzte Ruhestätte für die lieben Verblichenen mittlerweile für sich entdeckt.

Verschulden für die Beerdigung
Mit den bunten Särgen haben die Ghanaer sich übrigens einer Häuptlingstradition bemächtigt, denn die Stammesoberhäupter wurden in verzierten Holzkisten zur letzten Ruhe gebettet. Alle anderen mussten mit Tüchern oder Matten vorlieb nehmen. Laut Lohse verschulden sich die Ghanaer für die Totenfeier häufig über Jahre hinweg.
Die Toten seien fast wichtiger als die Lebenden, da die Familie als Gemeinschaft der Lebenden, Toten und Ungeborenen verstanden werde. Die Familie sei zu Ahnenkult und Opfergaben verpflichtet, weil man glaube, dass die einstigen Verwandten im Jenseits auf die irdische Existenz einwirken könnten. Eine oft wochenlange, prächtige Totenfeier solle als daher als beste Eintrittskarte in die Totenwelt dienen, erläuterte Lohse.