ARCHIVE 2000

Stadttheater Fürth, erbaut 1901/1902 von den Architekten Fellner und Helmer.

 

IM BILD

Ehemalige + Studierende von Christine Colditz

Stadttheater Fürth

Fürth (Bavaria)

29.10. - 01.12.2000

Artworks

Akbarpour Akbar    Brunner Ines    Colditz Christine    Dauerer Gabriela (1958 - 2023)  Dauphin Peter    Durner Jürgen    Gevekoht Norman    Hamsea Christian    Hemmerlein Marc    Janke Alfons    Liebmann Katia    Müller Matthias    Pfannes Barabara    Polik Philipp    Schall Ulrike    Von Loeper Aja    Weinberg Achim 

Press Archive

Fürther Nachrichten, 28./29.10.2000, MARTIN MÖLLER

 

Die Natur des Innen

Arbeiten von Studierenden und Ehemaligen von Christine Colditz

„Gotham City“ von Katia Liebmann. Fotos:Günther B. Kögler

 

Klasse, so ein Klassentreffen. Und die Lehrerin mittendrin. 16 Ehemalige oder jetzt noch bei ihr studierende hat Christine Colditz zu einer gemeinsamen Atelierausstellung ins Foyer des Stadttheaters geladen. 17 Temperamente, die sich mit Zeichnungen, Malerei, Fotografie und Objekten höchst individuell präsentieren.

 

„Das ist wohl die dritte oder vierte Ausstellung dieser Art“, überschlägt Christine Colditz locker. Seit 1982 ist sie Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und dort haben auch allle SchülerInnen sie während Teilen ihrer Ausbildung oder über die ganze, meist sechs Jahre dauernde, Zeit konsultiert. „Das ist ein längerer Prozess, bis sich ein junger Künstler findet“, erzählt die 57-jährige Malerin, Bildhauerin und Zeichnerin.

 

Und so sind sicher noch nicht alle, die hier ausstellen, schon bei ihrem künstlerischen Selbst ganz angekommen. Wenn es das denn überhaupt so statisch gäbe. Christine Colditz versteht ihren Unterricht als Dialog: „Die angehenden Künstler wählen selbst, was und wie sie etwas gestalten. Dabei werden die Arbeiten besprochen, möglichst noch im Prozess des Entstehens. Denn die mangelnde Erfahrung führt mitunter dazu, dass ein guter Zustand eines Werkes nicht richtig erkannt und dann übermalt wird.“

 

Für die Ausstellung ist sie zusammen mit John Hammond von der Art-Agency zu den jungen Künstlern in die Ateliers gezogen. Gemeinsam hat man die Werke gemustert und bewertet, hat überlegt, was für die Ausstellung wohl in Frage käme. Und da hängen sie nun in der Wandelhalle.

 

Die Empfehlung ihrer Mentorin, die Natur und insbesondere die menschliche Gestalt immer wieder zu studieren, hat in vielen Arbeiten ihren Niederschlag gefunden Ulrike Schall zeigt eine Liegende in Rückensicht. Die starke Drehung und Verkürzung modelliert eine fast kompakte Form. Der Rückenakt einer Sitzenden ist in der Haltung ruhiger, hier sorgt die Strichführung für die Spannung.

 

Mensch als Maß

Der Mensch als Thema dominiert auch auf den in gedämpften Farben gemalten Bildern von Norman Gevekoht (Jahrgang 1961), der mehrere Kleinformate zu zwei Potpourris zusammengefasst hat. In jedem davon auch ein Selbstbildnis an der Staffelei. Flächige Porträts, weitab vom Fotorealismus. Fotos zwar aus Elementen der Realität, aber zu bedrohlichen Montagen verwandelt, zeigt Katia Liebmann, die schon internationale Erfolge vorzuweisen hat. Unheimlich maskierte Köpfe vor Großstadtfacetten aus einem allgegenwärtigen Cop-Land.

 

Köpfe noch ein Mal und ganz anders. Marc Hemmerlein zeigt auf einem in eine schwarze und eine weiße Grundfläche aufgeteilten Diptychon schemenhafte Köpfe in einem Würfelkäfig, transfusionsähnlich durch Schläuche verbunden, wie Tag- und Nachtzustände. Noch sehr in der Entwicklung begriffen. Den Rat, in die Naur zu gehen, hat Matthias Müller, ebenfalls noch mitten im Studium, beherzigt. Zwei großformatige Waldstudien changieren magisch zwischen Realismus und expressivem Strich.

 

Zwei Maler mit einer Palette der dunklen Töne sind Alfons Janke (Jg. 1959) und Akbar Akbarpour (Jg. 1963). Janke ist mit zwei Arbeiten vertreten, auf denen die Vielfarbigkeit der Dunkelheit durch einen hellen Lichtraum, einmal ein „gotischer“ Spitzbogen, einmal eine schräge Türöffnung, aufscheint. Etwas kräftiger die Farben, deutlich dynamischer die Formen bei Akbarpour, der offenbar (leider) die traumhaft unterlegten Realitätspartikel ganz aus seinem Repertoire getilgt hat und das rein Abstrakte versucht.

Lehrer-Bild im Schüler-Spiegel-Bild von Jürgen Durner (Ausschnitt).

 

Reizvoller Dialog

Ein reizvoller Dialog von Abstraktion und Trope d’oeil sind die Gemälde von Christine Colditz und Jürgen Durner. Die Professorin hat ihr Werk Farbserie drei beigesteuert. „Die Farben habe ich mit den bloßen Händen aufgetragen.“ Und dieses Handwerk hat eine Farblandschaft auf der Leinwand hinterlassen die geradezu brodelt und das „wildeste“ Bild der Schau ist.

 

Vis-à–vis hat der Spiegelungs-Spezialist Jürgen Durner, dessen Bild an der Stelle hängt, wo sonst ein Spiegel den Pausengästen einen prüfenden Selbstblick erlaubt. Nun ist hier auf der Leinwand der Raum so zu sehen, wie der menschenleer aussieht. Die drei Sessel mit den Schatten der Spotlights, Gardine links, Blick auf die Bäumenstraße rechts und dazwischen das Bild der Colditz, natürlich ebenfalls seitenverkehrt. „Das Bild im Bild gab der Ausstellung auch den Titel“, weist die somit doppelt vertretende Ausstellungsmacherin auf ein Detail hin. Einzig nicht „im Bild“ vertreten ist Achim Weinberg, der zwei fein durchscheinende Plastiken aus Silikonschläuchen beisteuert. Seine streng geometrischen Objekte haben dennoch ein naturhaftes wesen und bleiben damit, ungerahmt, im Rahmen.

 

Ein abwechslungsreicher Rundgang, bei dem der Betrachter sich auch mal in die Rolle von Schüler oder Lehrer begeben könnte, mal kritisch befragen, mal mit Nachdruck das eigene Wollen vertreten. Eine Lehrstunde über das Entstehen von Bildern.

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