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Fürther Nachrichten, 18.07.2013, MATTHIAS BOLL
Rakete trifft Punktmalerei
„Near & Far“: Der in Fürth lebende Angolaner Musole Petulu kombiniert Tradition und Zeitgeist

Irgendwann stand Musole Petulu in der Galerie ZAK und fragte, ob sie noch ein bisschen Kunst vertragen könne. Selbstbewusst, oder? Galerist John Hammond hatte den richtigen Riecher und sagte ja.
Hammond: „Seine Arbeiten haben nicht nur Qualität, sondern auch das gewisse Etwas.“ Petulu, 1965 in Angola geboren, war als Stipendiat nach Deutschland gekommen; bei Grundig lernte er Elektroniker, vor zwei Jahren nahm er beim Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten teil, wo er prompt einen Anerkennungspreis erhielt. Seit 1997 arbeitet er an der Scharrerschule in Nürnberg und gibt dort kreativen Kunstunterricht in den fünften und sechsten Klassen. Dass Petulu nun einer de fünf Künstler ist, die das Fürther „Moving-Cultures“-Festival-Projekt „Near & Far“ im „Etwas los“-Raum des City-Centers bestücken und bereichern, dürfte als weiterer Markstein seiner Künstlerbiografie gelten.
Das „gewisse Etwas“ teilt sich dem Besucher beim Grossteil der neun Arbeiten mit, die zwischen 1996 und 2003 entstanden sind. Darunter ist jene „Mystische Welt“ betitelte Ideenexplosion, für die Petulu den Anerkennungspreis einheimste. Souverän kombiniert er den Stil der traditionellen afrikanischen Malerei mit Anleihen beim Zeitgeist. Punktmalerei, die bis in feinste Ziselierungen ausgetüftelt ist, trifft auf collageartig integrierte Objekte und Gegenstände. Da ist, plastisch aus der Holzplatte ragend, ein Grab zu sehen, ein Raketenfahrzeug, ein Mensch in einem Boot. An welchem Werk wäre besser abzulesen, was „Moving Cultures“ intendiert, nämlich die Spuren aufzuzeigen, die die Begegnung von Künstlern aus ferneren Kulturkreisen mit de hiesigen Lebens- und Arbeitswelt hinterlassen?
Das wäre womöglich grusliger Kitsch, gelänge Petulu nicht das Kunststück, zwischen dezenter Farbgebung und blühender Ikonografie die Waage zu halten und ein einheitliches Ganzes zu schaffen, ein Gesamt-Kunstwerk aus der Summe faszinierender Details. Monate braucht Petulu für derlei Arbeiten. Über ein Jahr hat er investiert in die wabernde Flora und Fauna in „Musoles Welt“; unverkäuflich ist das Werk, zugleich das älteste seiner „Near & Far“-Exponate. Dass er wieder den Weg findet zum punktmalerischen Mystizismus und zur subtilen Masken- und Geisterschau, ist ihm zu wünschen in Anbetracht der neueren und neuesten, deutlich kraftloser und gefälliger geratenen Flirts mit dem allzu Plakativen.
Unübersehbar ist das Qualitätsgefälle zwischen den „Sieben Göttern“ von 2003 und der sechs Jahre älteren „Diamantschildkröte“, einem Faszinosum aus Holz, Gips und Acryl. Allein sich eine Zeit lang in den finessenreich, wie ein Zaubergefäß gearbeiteten Panzer des Fabeltieres zu versenken, lohnt den Besuch von „Near & Far“ allemal.