ARCHIVE 2012
Vernissage: 11.11.2012
Teresa Wiechova
Invitation Archive
Fürther Nachrichten, 21.11.2012, REINHARD KALB
Die Vermessung des Körpers und des Geistes
Graphische Systeme voller Bezüge und Querverweise: Hammond zeigt Teresa Wiechovas „Ewiges Spiel“ im Theater

FÜRTH - „Ewiges Spiel" - bei so einem Titel denkt man an süchtigmachenden PC-Ballerkrawall, an „World of Warcraft" für die Großen und „Wickie auf Schatzsuche" für die Kleinen. Oder aber man denkt an eher körperliche, höchst angenehme Betätigungen, die von Generation zu Generation weitergereicht werden. Die Künstlerin Teresa Wiechova hat anderes im Sinn. Ihre Arbeiten zeigt derzeit die Art-Agency Hammond im Stadttheater.
Teresa Wiechovas Spiel gilt dem Zeichenstift, der Farbe, der Drucktechnik und wie man aus einer Bilderfindung zig Varianten gestalten kann.
Die 46 Arbeiten der in Nürnberg lebenden gebürtigen Pragerin, die im Foyer des Stadttheaters hängen, präsentieren dem Betrachter auf den ersten Blick ein undurchschaubares Kuddelmuddel.
Bei näherem Hinsehen entdeckt der Kunstfreund Systeme im scheinbaren Chaos. Wiechova — in der Theaterstraße bildete sie vor ein paar Jahren mit Anja Schoeller die Künstlergemeinschaft
„Kunstkohlsuppe“ — benutzt Elemente aus anatomischen Lehrbüchern, Musterbögen zum Selberschneidern, Zahlen, Buchstaben, Punkte, Kreise, Kugeln und Linien. In Mischtechnik kombiniert sie
Originalzeichnung, Holz- und Linolschnitt, Siebdruck und sogar Digitaldruck miteinander und legt Druckschicht auf Druckschicht. Das Ergebnis: im Wortsinn vielschichtige graphische Systeme voller
Bezüge und Querverweise.
Verweise wohin? Zum Beispiel auf das Schubladendenken der altvorderen Systematiker. Der Gallsche Schädel, den der Anatom Franz Joseph Gall entwickelt hatte und den Teresa Wiechova wiederholt
aufgreift, verortet diverse Triebe und Charaktereigenschaften in verschiedenen Hirnsektoren, wie etwa Lust, Zorn oder gar Vaterlandsliebe, Wortsinn, Formsinn und sogar den „Kunstsinn". Was heute im
Kuriositätenkabinett der Anatomie verstaubt, war vor 200 Jahren medizinische Avantgarde. Die Vermessung des Körpers und des Geistes geht allerdings munter weiter und verläuft nun in anderen Bahnen.
Entscheidend ist der Gedanke der Machbarkeit.
Entsprechend versetzt die Künstlerin ihre Menschengestalten (meist in Gestalt einer Kopfsilhouette) in immer neue, immer wieder anders geartete Milieus aus Formen, Farben und Strukturen, kombiniert
auch mehrere Körperteile, collagiert Gitternetze und Zwirnlinien und treibt das Spiel mit den graphischen Schichten auf die Spitze, indem sie auf das Deckglas über den Druckwerken Farbkleckse malt
und diese wieder aufkratzt.
Ist das nun ein spielerischer Umgang? Eher ein kalkulierter, kühl berechneter, geradezu architektonischer Auf- und Ausbau der graphischen Kunst.