ARCHIVE 2013

Stadttheater Fürth, erbaut 1901/1902 von den Architekten Fellner und Helmer. © Anestis Aslanidis

 

 

„Malerei und Aquarell“

Gertrud Aumayr & Philipp Kummer

Stadttheater Fürth

Fürth (Bavaria)

10.11.2013 – 14.01.2014

Vernissage: 10.11.2014

Gertrud Aumayr (1948 - 2023) & Philipp Kummer

Artist Profiles

 

Gertrud Aumayr was born in Linz, Austria.

Interest in drawing and painting from an early age.

Training under Franz Vornberger, Nuremberg and Heribert Mader, Vienna.

In addition to water colour and acrylic, drawing is very important as an independent form of work. Painting trips to Nepal, India, New York, Greece and Italy.

Gertrud Aumayr lives and works in Nuremberg.

 

Philipp Kummer was born in 1979 in Dresden. 

2006 – 2010    studies painting under Thomas Hartmann at the Academy of fine arts in Nuremberg

2010 – 2012    studies painting under Ralph Fleck at the Academy of fine arts in Nuremberg

2012 “Meisterschüler” under Ralph Fleck

Philipp Kummer lives and works in Nuremberg. 

Press Archive

Fürther Nachrichten, 14.11.2013, REINHARD KALB

 

Eine Huldigung an den Verfall

Die Maler Gertrud Aumayr und Philipp Kummer ergänzen sich im Stadttheater

 

FÜRTH - Wieder treffen unter dem Stichwort „Malerei und Aquarell“ zwei Künstler im Foyer des Stadttheaters aufeinander. Doch das Thema ist bei aller Verschiedenheit der Malweise dasselbe: Der Untergang der Zivilisation, die Rückkehr der Wildnis. Und noch eine Gemeinsamkeit: Beide Maler schmücken sich mit dem NN-Kunstpreis.

Alles wuchert: Philipp Kummer vor einem Seiner Werke im Fürther Theaterfoyer. © Berny Meyer

 

Das hat gekracht! Was für eine „Karambolage“: Gleich drei Autos liegen verbeult beieinander, sogar die Achsen samt Rädern dran hat es aus der Karosserie gerissen. Und doch liegt der Unfall geraume Zeit zurück. Die Häuser drumherum tragen keine Dächer mehr, dafür wuchern Pflanzen und Gebüsch. Sind wir irgendwo in Südeuropa oder ganz weit draußen in der Fränkischen Schweiz? Oder ist in der Zwischenzeit etwas passiert?

 

Das Gemälde „Übersicht“ widerspricht seinem Titel: In einem schier undurchdringlichen Dickicht aus farblich harmonischer, doch in wildem Duktus aufgetragener vegetabiler Ölmalerei gewahrt der Betrachter erst beim dritten Hinsehen die dunkle Kontur einer rechtwinkligen Masse. Ein Autowrack? Reste einer Hütte?

 

Auch „Die Segnung“ widerspricht ihrem optimistischen Titel. Das Gewirr schräger metallener Streben lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, grüne und rote Vegetation macht sich überall breit, leuchtet klar oder schimmert nur diffus zwischen den Streben. Offenbar steckt noch etwas Glas im Gestänge. Vielleicht handelt es sich um ein eingestürztes Gewächshaus?

 

Der Maler Philipp Kummer, Jahrgang 1979, ist in Dresden aufgewachsen, hat an der Nürnberger Kunstakademie studiert und kennt den Verfall des Ostens noch aus eigener Anschauung. Ebenso haben es ihm Filme von Andrej Tarkowski angetan, namentlich „Stalker“ aus seinem Geburtsjahr, die Geschichte einer Expedition durch eine von Wildnis überwucherten Ruinenlandschaft mit unberechenbaren physikalischen Gesetzen.

 

In weiteren Bildern ohne Titel wuchert zwar Sumpfdickicht, verdichten sich Schrott-Teile zu organisch anmutenden Konglomeraten und mutieren mittels Grünfärbung zu vegetabilen Kompositionen. Doch den eigentlichen Schock bildet das leere Weiß des Papiers drumherum. Der Betrachter darf raten: wird die Vegetation weiterwachsen und den weißen Bildträger überwuchern? Oder steht das Weiß des Papiers bloß für den dünnen Firnis der Zivilisation, unter der wie aus einem Loch die Wildnis hervorlugt?

 

Auch die Österreicherin Gertrud Aumayr huldigt dem Verfall, doch auf andere Weise. Ihre Aquarelle präsentieren statische Städte, leere Straßen, Bahnhöfe ohne Züge, stille Häfen. Der Mensch ist allein in seiner Architektur präsent, doch was ist Architektur ohne Menschen? Farblich fein nuanciert, bewirkt die Diffusität der Aquarelle einen Look, als sähe man die Architektur wie durch einen Gazeschleier im frühesten Morgendämmer. Präsent und doch bereits entrückt, einer Sphäre der Auflösung preisgegeben. Das Unbehagen macht sich auch deshalb breit, weil nichts von Vegetation, von Fauna und Flora kündet.

 

Dabei sind Aumayrs Städte und Bauwerke durchaus identifizierbar: die Wolkenkratzer und Brücken von New York, das Dächergewirr von Paris, das sich in einer Federzeichnung zu einem hauchfeinen Gespinst aus Schornsteinen, Dachgauben und Mansardengraten verdichtet. Oder die Sagrada Familia in Barcelona, die ewige Kathedralen-Baustelle. Wie Orgelpfeifen ragen die Türme in die Höhe, in schwarzem Aquarell massiv und doch locker hingetupft. Dazwischen bilden die Kräne und Baugerüste, mit superdünnem Rot gezeichnet, in ihrer Feingliedrigkeit einen scharfen Kontrast. Aber hier wie dort: kein Leben auf der Baustelle. Feierabend für immer.

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